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2013

Laudatio bei der Ausstellungseröfnung in der Galerie Schönhof

Dr. Claudia Thoben

  Lieber Herr Karabinskiy, liebe Frau Karabinskiy, liebe Familie Heumann,

sehr geehrte Damen und Herren,

Womit uns Gennady Karabinskiy bereits auf den ersten Blick gefangen nimmt, ist das kraftvolle Spiel mit der Farbe. Auf der Palette des Künstlers sind alle Farben und ihre Mischungen vertreten, die wir von der Farblehre als Kreis angeordnet her kennen: Vom als kalt eingestufen Blau zum Violett, zum kräftigen Rot, über Orange dann zum strahlenden Gelb bis hin zum Grün, mit dem sich der Kreis schließt.

Die breite Palette an Farben wird verstärkt durch die Wirkung und den bewussten Einsatz von Farbkontrasten. Leuchtende, scheinbar glühende Partien stehen in starkem Kontrast zu gedämpften, gleichsam im Schatten und in der Dämmerung liegenden Bildsegmenten. Der wichtigste Farbkontrast, den Gennady Karabinskiy anwendet, ist der sog. Komplementärkontrast, d.h. die sich verstärkende Wirkung von Farben, die sich auf dem Farbkreis gegenüberliegen: so wird z.B. Blau neben Orange gesetzt, Gelb neben Violett, Grün neben Rot. Ein weiteres Ausdrucksmittel sind die feinen Nuancierungen eines Farbtons, die sich in der Fläche über die Umrisslinien von Formen hinwegsetzen können. Wirkungsvoll unterstützt der Künstler diese Dynamik durch den breiten, sichtbaren Pinselstrich und die intensiv leuchtende Farbigkeit bei den Tuschearbeiten.

Es dauert eine Weile, bis sich unsere Erregung im Auge und auf der Netzhaut von dieser Farbwucht erholt hat und wir uns dem Dargestellten zuwenden können. Gezeigt werden hier in der Ausstellung großformatige, teils mehrteilige Ölbilder, Tempera- und Tuschezeichnungen in kleinem Format. Es fällt schwer, die Arbeiten zu klassifizieren: Sind es nun Porträts? Landschaften? Stilleben? Nichts scheint eindeutig zuzutreffen. Es sind vielmehr immer Geschichten, die wir zu lesen versuchen.

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In jedem Falle nimmt die Darstellung von menschlichen Figuren einen großen Platz im Werk des Künstlers ein. Es sind keine Porträts im engeren Sinn, denn sie erlauben kein Wiedererkennen von bestimmten Personen. Es geht dem Künstler um den Ausdruck von Gefühlen, Stimmungslagen und um Lebenserfahrungen, die sich in den Gesichtern spiegeln oder die wir dort zumindest erahnen können.

Oft sehen wir Paare dargestellt. Sie sind umgeben von Tieren, Früchten oder Pflanzen, wobei die in der Realität herrschenden Größenverhältnisse meistens missachtet werden. In der Arbeit „Seltsamer Kuss“ gehen Mann und Frau scheinbar in einen Körper über. In der Arbeit „Junge mit roter Mütze“ entdeckt man den Kopf eines älteren Mannes im Gesicht des Jungen, dann wiederum umschlingt eine Pflanze mit ihren Blättern und Luftwurzeln das Dekolleté und Gesicht einer Frau. Beides scheint miteinander zu verwachsen. Blüten, Früchte und Gegenstände drängen sich zu den Figuren.

Die tiefe Symbolik all dieser Dinge erschließt sich für den Betrachter nicht sofort und vielleicht bleibt sie uns manchmal auch verborgen. Wir spüren aber deutlich Gefühle der Zuneigung und Zweisamkeit, die mittels zahlreicher Anspielungen und Attribute ausgedrückt werden.

Die das Format ausfüllenden und teils sprengenden Köpfe sitzen vielfach auf schmalen Schultern und weißen Kragen mit Schlips und kokett gebundener Schleife. Weiblichkeit wird gerne durch rote Lippen und bunte Perlenketten betont. Zarte Linien trennen in der Regel die stark farbigen Gesichter vom indifferenten Hintergrund und konturieren die Gesichtspartien. In den Tuschezeichnungen genügen Gennady Karabinskiy wenige scheinbar spielerisch gezogene Linien, um ein Gesicht zu konturieren und ihm Ausdruck zu verleihen. Der Einsatz von Farbe widersetzt sich sowohl diesen Konturen und Formen als auch fast jeglicher realistischen Darstellungsweise. Das Kopfhaar ist violett, blau, orange oder gleich einem Regenbogen gefärbt. Grünliche oder violette Schatten legen sich über das Gesicht. Augenlider, Lippen und Ohren sind in stechende Farben getaucht.

Die Figuren fixieren uns mit ihren weit geöffneten, ungleich großen Augen. Immer blicken sie uns unverwandt an - selbst dann, wenn der Kopf leicht zur Seite gedreht ist. Mit ihrem magnetisierenden Blick und den weit abstehenden, uns ebenfalls zugewandten Ohren scheinen sie den Dialog mit uns zu suchen.

Doch sie lächeln uns nicht an, und ihre Lippen sind geschlossen. In ihrem Gesichtsausdruck stecken Wehmut und Traurigkeit, denen nicht zu entkommen ist.

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Die für den Künstler charakteristische Disproportionalität des Dargestellten zeigt sich wie angesprochen in den Porträts, vor allem aber in seinen Landschaften und Stillleben, in denen er eine Traumwelt aus Häusern, Bäumen, Blüten, Früchten und Tiergestalten erfindet. Wir müssen erst die einzelnen Gegenstände entziffern und herauslösen, da sie uns in schiefen und überdehnten Formen, ungewohnten Größenverhältnissen und farblichen Gestaltung begegnen.

Ein Segelboot schwimmt in einem Trinkkelch, ein zweites jongliert auf dessen Rand. Auf geschmückten Tischen türmen sich süße Früchte. Trauben, Kirschen, Granatäpfel, Zitrusfrüchte und aufgebrochene Schoten laden uns zu einem Festmahl und im übertragenen Sinn zum Genuss des Lebens ein.

Ein Kinderroller mit einem kleinen aufbruchlustigen Boot auf dem Lenker und beladen mit bunten Früchten und einem rotleuchtendem Baum, der seiner Stütze eigentlich längst entwachsen ist, erinnert uns vielleicht selbst an unsere Kindheit, kindliche Neugierde an der Entdeckung der Welt, an unsere Wünsche und unbefangenen Mut. Zur Erinnerung an die Kindheit gehört vielleicht auch das Rattern der Nähmaschinen und das Geräusch des surrenden Fadens. Hier verbinden sich ebenso Gefühle der Geborgenheit in der Familie und im häuslichen Tun mit einer Aufbruchsstimmung und unausweichlichen Veränderungen. Viele Dinge erhalten so Symbolcharakter, wie z.B. die Garnrolle, die ja gerne verschwindet, aber über den dünnen Faden zurückverfolgt werden kann.

Die Fülle, aber auch die Brüche und die Vergänglichkeit des Lebens, die Hoffnung und die Bedrücktheit sind wiederkehrende Themen im Werk des Künstlers. Sein Farbenspiel, der Glanz der Früchte und des Himmels bilden eine untrennbare Einheit mit den Symbolen der Unbeständigkeit und Vergänglichkeit, wie der Sanduhr oder dem kleinen geflügelten Wesen. Über allem liegt ein Hauch von Nostalgie, vielleicht auch Melancholie, und überträgt sich auf den Betrachter. So fordern uns die Arbeiten von Gennady Karabinskiy unerbittlich auf, unseren Gefühlen, Träumen und Sehnsüchten nicht auszuweichen, auch wenn dies schmerzlich sein kann.

Die Arbeiten und Themen spiegeln die Biographie Gennady Karabinskiys, der 1955 in Baranowitschi/Weißrussland geboren wurde, dann von 1985 bis 2004 in Sankt Petersburg studierte und arbeitete. 2004 emigrierte er und siedelte sich in Oldenburg an. Bereits seit 2005 ist er Mitglied im BBK Oldenburg und hat seitdem in zahlreichen Orten seine erfolgreiche Ausstellungstätigkeit fortsetzen können.

Ich wünsche ihm und dieser Ausstellung viel Erfolg!